Triptychon auf Machu Picchu


Eines sollte man den Menschen des Mittelalters, ob nun in Europa oder in Südamerika, nicht absprechen: Den Sinn für das Erhabene, ja Großartige. Auch den Inka-Herrschern, so grausam sie auch gewesen sein mögen, sonst wären sie ja nicht der Herrscher dieses immer wieder von Feinden bedrohten Reiches geworden, ja auch diesen sollte man diesen Sinn nicht absprechen. So auch Pachacutec Yupanqui, dem von 1438 bis 1471 herrschenden neunten Sonnenkönig und sagenhaften Gründer von Machu Picchu, welcher trotz bestimmt unzähliger ähnlicher Möglichkeiten seitens der die größte Fläche seines Reiches bedeckenden zerklüfteten Anden gerade diesen Platz für seine Winterresidenz ausgewählt hat: Ein für die bergigen Verhältnisse recht ebener Platz, auf drei Seiten umgrenzt vom etwa 400 Meter tiefer gelegenen Urubambatal und auf der vierten überragt vom 3061 Meter hohen Montana Machupicchu, dem der Stadt namensgebenden "Alten Gipfel". Ideal für die winterliche Flucht des streß- und kältegeplagten Herrschers aus der 1400 Meter höher gelegenen Hauptstadt Cusco. Immerhin eine Flucht über 75 Kilometer, eine nicht zu unterschätzende Entfernung für ein Volk, dem bis zur Ankunft der spanischen Eroberer Reittiere unbekannt waren. Nur für den Sonnenkönig, seine Familie und hohe Staatsbeamte gab es gold- und edelsteinverzierte Sänften, welche mit ihrer kostbaren Fracht auf schmalen Inkapfaden vorbei an hunderte Meter tiefen Abgründen und über schwankende Seilbrücken geschleppt wurden. Und bestimmt hat sich der Sonnenkönig auch auf den Hausberg hinauf tragen lassen, über etwa 3000 meist unregelmäßige Stufen. Wenn er dann dort oben trotz gelegentlicher Regenschauer lange genug verweilt und niemals den Blick auf die dichten Wolken in Richtung der Stadt aus den Augenwinkeln verloren hätte, ja, dann gab es auch für ihn die reelle Chance, einen kurzen Blick auf die plötzlich aus dem wabernden Nichts auftauchenden Konturen der Stadt zu werfen, gegenüber begrenzt vom sich dahinter vor das Urubambatal geschobenen Huayna Piccu. Was allerdings im Kopf der Sänftenträger beim anstrengenden Rückmarsch in die Stadt vor sich ging, ist nicht überliefert. Nun, abgekippt über einem der Abgründe haben sie ihn jedenfalls nicht und bessere Wadenmuskeln als wir heutigen Touristen hatten sie allemal.